Abi, und dann?

Was kommt nach dem Abi? Ausbildung? Studium? Zivi? Geradliniger Karriereweg oder doch lieber irgendwas zur Orientierung, ein Auslandsjahr vielleicht? Jannis und sein Kumpel Joel standen wie viele junge Leute vor eben dieser Frage und haben sich meiner Meinung nach für die beste Möglichkeit entschieden: Erst einmal die Welt entdecken und auf Reise gehen!

Sowohl das Reiseziel als auch die Art und Weise der Fortbewegung sind dabei alles andere als geradlinig und 0815: So haben sich die beiden Freunde dazu entschieden, das Nordkap in Norwegen von Deutschland aus per Anhalter zu erreichen. Dies verspricht eine Menge Spontanität und ist wenig planbar. Grund genug für Jannis die Reise dokumentarisch mit seiner Kamera festzuhalten. Diesen Weg mit all seinen Stationen kann der Zuschauer nun in seinem Film „Hyperborea – Per Anhalter zum Nordkap“ nachverfolgen.

Handlung: Über Gelsenkirchen in den Norden

Nach einer kurzen Einführung geht es auch direkt los und die ersten Kilometer werden gemeinsam mit Jens, den die beiden an einer Raststätte in Nordrhein Westfalen antreffen, zurückgelegt. Die kurze Hintergrundgeschichte zum Fahrer weckt das Interesse, leider wird es allerdings eine der wenigen Ausnahmen bleiben und als Zuschauer erfährt man im weiteren Verlauf des Films eher wenig über die Mitnehmer. Leider vor allem auch deshalb, da dies sicherlich einen großen Teil der Faszination „Trampen“ ausmacht. Ebenso zum Trampen dazu gehört das leidige Warten auf die nächste Mitfahrgelegenheit, welches im Film immer wieder thematisiert wird und damit die Realität gut widerspiegelt.

Es dauert etwas über 20 Minuten, ehe Jannis und Joel im Film die erste Ländergrenze passieren und wenig später in der polnischen Hauptstadt Warschau aufschlagen. Neben etwas Sightseeing kommen sie dabei auch in den Genuss eines Konzertbesuchs. Diese Eindrücke sind für den Zuschauer eine willkommene Abwechslung zu den üblichen Szenen abwechselnd aus Autobahn und Rastplatz. Gefilmt wird all dies übrigens von einer GoPro. Dies betont zwar den dokumentarischen Stil, besondere Bildeinstellungen oder das Spielen mit Schärfe/Unschärfe sind damit allerdings leider nicht möglich. Die GoPro zeigt ihre Stärken bekanntermaßen bei Sonnenschein, doch auch die Schwächen bei Nachtaufnahmen oder die Überbelichtung bleiben im Film nicht verborgen.

Jannis begleitet den Film von Beginn an erzählerisch per Voice-Over und man merkt, dass er sich im Vorfeld Gedanken gemacht hat. Hin und wieder wären ein paar weitere Hintergrundinformationen zum Reisen selbst interessant, wie beispielsweise die Art der Navigation oder die Kommunikation mit den Einheimischen und den Autofahrern.

Erdbeben im Wald und eine spontane Bootstour

Bei der weiteren Fahrt durch Litauen erlebt der Film seine meiner Meinung nach interessanteste Passage. Der Besuch eines Festivals mitten im Wald und die Weiterfahrt mittels im Supermarkt gekaufter Schlauchboote verdienen das Prädikat „Abenteuer“ und die Folgen von etwas zu natürlicher Kost am Rande eines Flusses zeigen auch die möglichen negativen Seiten einer spontanen und abenteuerlustigen Reise.

Über Helsinki kämpfen sich die beiden Freunde immer weiter hoch in Richtung Norden und lassen sich dabei auch nicht von den tausenden Moskitos abhalten. Das Durchhalten lohnt sich, denn hoch im Norden steigt die Erfolgsquote beim Trampen scheinbar analog zur Anzahl der Moskitos und so kommen die beiden in den Genuss von skandinavischer Gastfreundschaft.

Das Ziel rückt näher

Je näher Jannis und Joel ihrem Ziel kommen, desto weniger Zivilisation finden sie vor. Gut, dass es auch im fernen Norwegen hilfsbereite Menschen wie den Schweizer Jochen gibt, welcher als Goldschmied nach Skandinavien ausgewandert ist und nun die Weite des Nordens genießt.

Schließlich erreichen die frischen Abiturienten das Ziel ihrer Reise – begleitet von einer Menge Touristen, die natürlich eine gänzlich andere Anreise zum Nordkap hatten. Doch wenn der Film eines zeigt, dann, dass der Weg das Ziel ist. Begleitet von einem schönen Fazit von Jannis, welches das Reisen und all seine damit einhergehenden Facetten wunderbar zusammenfasst, endet die Dokumentation nach knapp 85 Minuten.

Fazit

Jannis gelingt es mit seiner Dokumentation, den Zuschauer mit auf eine Reise zu nehmen und er weckt das Fernweh und die Lust, schnellstmöglich selbst aufzubrechen. Der Film selbst hätte meiner Meinung nach etwas kürzer und knackiger geschnitten werden können, da sich einige Szenen durch die monotone Kameraeinstellung der GoPro sehr lang strecken. Es fehlen ein paar „richtige“ Highlights, die Wow-Effekte (die ihm sein Kumpel beim Besuch in Berlin empfohlen hatte), sodass sich der Film größtenteils auf einer gleichbleibenden, mittleren Spannungsebene einpendelt.

Auch der Sound ist ein Kritikpunkt, da Jannis Stimme ohne die Verwendung von Kopfhörern schwer zu verstehen ist. Klar ist, dass Jannis keinen gelernten Filmemacher verkörpert, sondern er ein Abiturient ist, der seine Kamera eingepackt und sich auf den Weg gemacht hat. Die Technik, sei es Bild oder Ton, kann zukünftig sicherlich gelernt und verbessert werden. Leute, die am individuellen Reisen (vor allem am Trampen) oder auch an den bereisten Ländern interessiert sind, können getrost einen Blick auf den Film werfen.

Die Möglichkeit dazu bietet sich nun in einer der vielen Aufführungen in deutschen Kinos, welche Jannis ähnlich wie Felix Stark mit seinem Film „Pedal the World“ anbietet. Egal wie erfolgreich diese Kinotour ausfallen mag, Jannis und Joel haben in dem Film in jedem Fall eine wahnsinnige Erinnerung an die eigene Jugend und an die Zeit nach dem Abi.

Weitere Informationen:

Wie stehst Du zum Thema Trampen? Hast Du den Film bereits gesehen oder möchtest Du ihn dir demnächst anschauen? Hinterlasse dazu doch einen Kommentar!

Bilder: © Jannis Riebschläger


Kai

Norddeutscher im Schwabenland mit einer Leidenschaft für Reisen, Fotografie und Digitale Medien. Dieser Blog ist meine persönliche Spielwiese.

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